Samstag, 14. Mai 2016

Lieben. Leben. Tragen.

Als ich noch nicht schwanger war, sah ich mal eine Tragemama im Edeka bei mir im Heimatdorf. Das muss so zehn Jahre her sein. Vielleicht lag es am Tuch. Vielleicht an der Mutter selbst. Vielleicht lag es an mir. Alles daran schrie einfach "Öko". Nicht, dass es etwas Schlimmes wäre. Doch man hat dann so eine Vorstellung. Ein Vorurteil. Ein Bild im Kopf. Dass bei dieser Familie zuhause sicher kein Fernseher steht. Dass es dort ausschließlich Bio gibt. Dass es nichts Süßes gibt. Dass der Toilettenpapierverbrauch gezählt wird. "Für klein gibt es zwei, für groß sechs Blatt. Das muss reichen!" Man hat dieses Bild im Kopf. Man denkt das einfach. Ich denke das einfach. Und ich mein es sicher nicht böse - es entspricht nur einfach nicht dem, wie ich aufgewachsen bin, wie ich mir mein Leben wünsche.
Als ich dann schwanger wurde, stieß ich wieder auf das Thema Tragen. Und plötzlich war ich viel aufgeschlossener. Wieso nicht mal darüber lesen. Und relativ schnell war mir klar, dass auch ich das will. Eine Tragemama sein. So nah muss das dem Gefühl des Babys sein, wie es in meinem Bauch war. Und heute gibt es ja auch andere Varianten. Vom ursprünglichen Tuch bis zur Hightech Trage. Ich sprach das Thema bei meiner eigenen Mama an und als sie mir sagte, ich solle ein Tuch nehmen war ich überrascht. Klar, sagte sie zu mir, ich hab dich die ersten zwei Jahre deines Lebens soviel im Tuch getragen, da kann ich dir nur zum Tuch raten. Da war ich baff. Meine Mutter als Tragemami? Ich hatte ja keine Ahnung. Nagut, also suchte ich gleich im Beisein meiner Mama nach einem Tuch und wurde bei amazon fündig. Hoppediz. Grau mit Sternen. (Meine liebe Freundin Jenny kann sich bestimmt vorstellen, wie schnell das Teil bestellt war!) Das Tuch kam auch gleich am nächsten Tag an. 5,40 Meter Baumwolle. Und wie gesagt, grau mit Sternen. Ich konnte es kaum erwarten meinen Kleinen darin zu tragen.
Als Julian auf der Welt war, stellte sich das Binden des Tuchs dann aber als gar nicht so einfach dar. Auf Youtube schaute ich mir Videos an und übte ein wenig, aber so richtig gut wollte es nicht klappen. Erst als meine Hebamme mir dann eine tolle Bindetechnik zeigte, klappte es. (Vielleicht mache ich irgendwann mal eine Fotoanleitung, denn diese Bindung habe ich sonst nirgends gefunden.)
Meinen Herzensmensch konnte ich aber leider so gar nicht davon überzeugen und unterwegs sind 5,40 m Tuch einfach auch unpraktisch. Also zog zum Tuch noch eine Kombination aus Tuch und Trage ein. Der Hoptye. Auch von Hoppediz und auch grau mit Sternen. Den Vorteil gegenüber normalen Tragen sah ich zum einen im Rückenteil. Dieser legt sich nämlich fast genauso sehr an den Rücken meines babybears wie ein Tuch. Zum anderen wollte ich die Möglichkeit haben, eine Jacke drüber zu tragen. Bei gepolsterten Schultergurten gestaltet sich das einfach schwierig. Der einzige Vorteil bei einer normalen Trage ist, dass nichts beim Binden auf dem Boden schleift. Aber selbst das lässt sich mit etwas Übung verhindern beim Hoptye. Mein Herzensmensch und ich sind da ein gutes Team geworden.
Viele meiner Freundinnen haben mir mittlerweile erzählt, dass ihr Kinder das gehasst haben. Dass sie so gerne hätten Tragen wollen. Dass es aber nicht ging.
Ich glaube, dass es selten so ist, dass Babys das sofort super finden. Auch Julian brauchte seine Zeit, bis er festgestellt hat, dass es super schön ist. Klar, grade daran gewöhnt sich recken und
strecken zu können, wird man wieder eingebunden. Das findet man dann nicht gleich toll. Aber wenn sie sich dran gewöhnt haben, ist es wundervoll. Julian beruhigt nichts so sehr, wie getragen zu werden. Ob beim Shoppen, beim Spaziergang, im Büro. Ist er im Tuch/in der Trage ist er zufrieden, solange er nicht grade Hunger hat. Und selbst das wird darin schonmal vergessen. Und mit viel Übung kann man sogar im Tuch/in der Trage stillen.
Mein Tipp - üben bis der Arzt kommt. Nicht gleich aufgeben. Ausprobieren. Und am besten bei den ersten Malen gleich raus an die frische Luft.
Für Julian und mich ist es einfach etwas Besonderes. Und wahrscheinlich liegt das daran, dass es nicht nur für ihn so ist wie es in meinem Bauch war - nein, für mich ist es dann auch ein kleines Bißchen wie nochmal schwanger zu sein. Er ist dann ganz bei mir, ich spüre seine Atmung, wir teilen uns unsere Wärme. Sicherheit. Geborgenheit. Liebe.
All das was wir uns für unser Kind wünschen. Und eben auch für uns selbst!

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