Montag, 30. Januar 2017

Ein. ganzes. Jahr.

Deine Geburt.

Am 27.01.2016 solltest du kommen. Solltest du. Wolltest du aber nicht.
Dafür, dass mir alle, meine Hebamme, meine liebe Freundin und auch meine Ärztin sagten, du würdest viel früher kommen, hast du dir echt Zeit gelassen. Vielleicht kannst du mir später, wenn du sprechen kannst, mal erzählen wie es in meinem Bauch so war. Denn es muss irre gemütlich gewesen sein.

Bereits Anfang Dezember 2015 sagte mir meine Frauenärztin, ich müsse ruhiger machen. Keine Kraftanstrengungen mehr, keinen Stress, viel Ruhe und Entspannung. Wie gut, dass wir unsere Geburtsvorbereitungskurse im Dezember hatten. Kurz wollten wir dann auch den normalen Geburtsvorbereitungskurs absagen. Doch zum Glück sind wir doch hin - sonst würde ein sehr lieber Mensch, genau wie ihr Mann und ihr zauberhafter Sohn, heute in unserem Leben fehlen.
Ich schonte mich etwas, fuhr aber trotzdem mit meinem Herzensmann in die Kanzlei und wir besuchten eben die Kurse. Weihnachten kam und ging und auch Silvester verlief ausschließlich draußen mit einem Knall. Bei mir war alles ruhig. Du lagst zwar schon perfekt, doch ich hatte keine Wehen und fühlte mich auch sonst nicht so, als würde es bald eine Geburt geben. Auch der Januar verging und als der 27.01. dann näher rückte war ich absolut sicher - du würdest genau am voraussichtlichen Entbindungstermin kommen. Ich war mir so sicher.

Doch auch der 27.01.2016 verging. Am 29.01. war ich wieder bei meiner Ärztin und anders als sonst gefiel ihr an diesem Tag das CTG nicht. Ganz und gar nicht, so dass sie uns für den Nachmittag ins Krankenhaus schickte. In den Monaten davor war ich sicher geworden. Sicher, dass alles gut war, dass es dir gut ging, dass du gesund warst, dass ich mein Happyend bekommen würde. Doch der Blick meiner Ärztin machte mir eine heiden Angst. Wir fuhren nachhause und ich konnte es nicht erwarten ins Krankenhaus zu fahren. Ich weinte und war unendlich aufgeregt. Ich wollte keine Angst mehr haben. Also fuhren wir früher als vereinbart ins Krankenhaus nur um dort dann die Entwarnung zu bekommen. Alles gut, Versorgung super, liegst perfekt. Okay. Danke dafür.

An diesem Abend plazierte ich deine kleine Wiege neben unserem Bett und machte alles ganz gemütlich. Irgendetwas in mir konnte nun loslassen. Von dieser Schwangerschaft Abschied nehmen.

Am Morgen des 30.01. wachte ich auf und fasste mir gleich an den Bauch. Ich spürte meine ersten Wehen und wusste gleich, dass heute wohl der Tag sein würde. Dein Papa saß schon im Wohnzimmer und als ich zu ihm rüber kam und ihm sagte, dass ich Wehen habe, freute er sich. Auch er konnte es nicht erwarten dich endlich richtig bei uns zu haben.

Wir verbrachten den Vormittag damit unsere Hypnobirthingmusik zu hören. Ich saß viel auf dem Gymnastikball oder lief durch die Wohnung. Dein Papa war unfassbar liebevoll. Er fragte immer wieder, wie ich mich fühle und wurde auch immer aufgeregter. Aufgeregter als ich, aber nicht so aufgeregt, wie meine beste Freundin Leni. Wir schrieben immer wieder per Whatsapp, sie schickte mich in die Wanne und stand wegen meiner Entspanntheit kurz vorm Nervenzusammenbruch. Ich müsste mal nachsehen, aber ich bin sicher, dass sie mindestens 30 mal an diesem Vormittag schrieb, ich solle doch bitte endlich in die Klinik fahren, weil ich sonst sicher eine Hausgeburt haben würde. (an dieser Stelle ein riesen Dank an dich, liebe Leni. Du hast mich zum lachen gebracht. Immer wieder. Dank dir!)

Um 13:30 Uhr sagten wir dann deiner Oma und deinem Opa Bescheid, dass sie vorbei kommen sollten um den Hund abzuholen. Gegen 14 Uhr saß ich auf dem Gymnastikball und rechnete minütlich mit ihnen, als es plötzlich Plopp machte und die Fruchtblase platze. Alles an Entspannung, all mein Seelenfrieden, alle Sicherheit war dahin. Das Fruchtwasser war grün. Kindspech im Fruchtwasser. Du hattest also Stress. Dir ging es vielleicht doch nicht gut. Wieder diese Angst. Alles was ich nun wollte war ins Krankenhaus zu kommen. Oma und Opa kamen zum Glück in den nächsten Minuten, sammelten nur den Hund an der Türe ein und fuhren gleich wieder. Ich packte mir ein Handtuch um das Auto zu schonen, wir nahmen die Kliniktasche und los ging es.

Von diesem Zeitpunkt an erinnere ich mich nur noch verschwommen. Ich weiß, dass es sich ewig anfühlte. Die Fahrt ins Krankenhaus, der Weg vom Storchenparkplatz bis ins Krankenhaus, die Fahrt mit dem Aufzug, das Warten nach dem Klingeln am Kreißsaal. Alles dauerte so lange und war gleichzeitig so unwichtig. Ich wollte nur wissen, wie es dir geht. Endlich durfte ich ans CTG und schnell sagte mir die nette Hebamme, dass alles in Ordnung sei. Ich brauchte mir keine Sorgen machen. Sie untersuchte mich und ich war bei unglaublichen 7-8 Zentimetern. Fast geschafft, dachte ich. Ja, falsch gedacht.

Wir durften dann in den Kreißsaal und sogar der Saal mit Wanne war frei. Ich wollte so gerne in der Wanne entbinden. So gerne alles selbstbestimmt, alles frei von fremden Händen, alles selbst machen. Doch es sollte anders kommen. Ich war ungefähr eine Stunde in der Wanne, als ich die Wehen so unangenehm fand, dass ich um einen Schmerztropf bat. Eigentlich bat ich sogar um eine PDA doch der Anästesist war gerade bei einem Notfall. Der Schmerztropf reichte erstmal.

Gegen 18:30 Uhr war der Muttermund komplett auf. Ich höre die Hebamme noch sagen "Jetzt brauchst du keine PDA mehr, jetzt ist dein Kleiner gleich da!". Die Ärztin wurde dann auch gerufen, um bei der Geburt dabei zu sein. Hah.
In der ganzen Zeit war ich tatsächlich nicht ganz da. Ich war ganz und gar nach innen gerichtet. Ganz bei dir. Ich wollte dich so gerne sehen, dich berühren, wissen, wie du aussiehst, wie du riechst. Ich habe die Wehen nicht lautstark herausgeschrien, sondern nur vereinzelt gestöhnt, wenn es wirklich mal sehr stark war. Zwischen den Wehen habe ich aber immer wieder gedöst. Kraft tanken. Die Hebamme und Ärztin kamen immer mal wieder, ließen mich aber ansonsten viel mit deinem Papa alleine. Er hat sich so wundervoll um uns gekümmert. Er war da, wenn ich ihn brauchte. Gab mir Raum, wenn ich es brauchte. Er war mein Fels. Mein Halt. Ohne ihn wäre ich verloren gewesen.

Gegen 21 Uhr war Schmerztropf durch und ich verspürte schon seit einiger Zeit einen Druck, einen Drang mit zu pressen, wenn eine Wehe kam. Es gab einen Hebammenwechsel und Ilse kam. Eine ältere, stabile Dame mit grauen, gelockten Haaren und osteuropäischen Akzent. Sie erklärt mir ruhig, aber eindringlich, dass das alles nun zu lange dauert und du wirklich nun auf die Welt kommen solltest. Die Ärztin kam dazu und positionierte sich neben mir um von außen auf dem Bauch mit zu pressen. Als Ilse dann eine Schere holte und sich bereit machte, erklärte dein Papa immer wieder im sachlichen Anwaltston, dass "bitte keinesfalls geschnitten werden soll". Doch ich gab mein Okay. Ich hatte vorher so viele Wünsche, so viele Vorstellungen. Es war alles anders gekommen und doch so egal. Ich wollte nun einfach nur, dass du endlich da bist.

Bei den letzten Wehen sah man schon immer wieder dein Köpfchen. Dein Papa rief es mir immer wieder zu und hielt meine Hand. Er feuerte mich an, genau wie Ilse und die Ärztin. Ich nahm alle meine Kraft und auch all meinen Mut zusammen und presste mit dem Wissen, dass dies die letzte Wehe sein würde.

Um 21:22 Uhr in der letzten Presswehe schnitt die Hebamme, die Ärztin schob mit und du warst innerhalb einer Sekunde im Ganzen geboren. Noch bevor ich dich sehen konnte, hat dein Papa schon immer wieder gesagt, dass es dir gut geht, dass du ganz rot bist und dass du dunkle Haare hast. Die Hebamme schaute sich kurz an, wie es dir ging, rubbelte dich ein wenig mit dem Handtuch ab und schon lagst du auf meiner Brust.

In dieser Sekunde war alles vorbei. Es war alles gleichgültig. Jede Sekunde, wie anstrengend sie auch war, jeder Schmerz den ich empfunden habe, jeder ängstliche Gedanke. Du warst einfach soviel mehr als ich je erwartet habe, soviel mehr als ich mir gewünscht habe. Du warst einfach perfekt. Du hast nicht geschrien. Zuerst noch etwas genörgelt. Dann hast du dich an mich gekuschelt und hast mich angeschaut. Deine Augen waren ganz dunkel. Deine Finger griffen schon so fest zu.

Ich wusste in diesem Moment, dass du es warst, nachdem ich immer gesucht habe. Dass du mich zu dem Menschen machen würdest, der ich immer sein wollte. Dass du nicht mein Happyend, sondern der Beginn etwas absolut Wundervollen sein würdest.

Dein Papa nahm dich dann auf den Arm, weil ich noch behandelt werden musste. Fast eine Stunde wurde ich genäht, habe viel Blut verloren. Durch einen Riss an dem Muttermund wurde eine Arterie verletzt, die von der Oberärztin genäht wurde.

Trotz dieses Stresses, trotz der Schmerzen, trotz der Angst ist dieser Tag, dein Geburtstag, der wundervollste Tag meines Lebens.  

Mit der Geburt wird eben nicht nur ein Kind geboren, sondern auch eine Mutter. Und nur als Mutter bin ich die Person die ich immer sein wollte, die Person die ich sein muss. Ich habe in diesem letzten Jahr soviel gelernt, über dich aber genauso über mich. Mehr als in all den Jahren zuvor. Es gab viele Momente der Angst, viele Momente mit Tränen, Tränen des Kummers und Tränen des Glücks, Momente der Erschöpfung, Momente voller Freude. Doch was ich wirklich gelernt habe ist, was es bedeutet zu lieben. Wirklich, bedingungslos zu lieben.

Du bist von einem perfekten, kleinen Baby, mit dünnen Fingerchen, faltriger, himmlich duftender Haut, dunkelblauen Augen zu einem wundervollen kleinen Jungen herangewachsen. Die Monate sind nur so dahin geflogen und wenn ich dich jetzt ansehe, kann ich nicht glauben, wie groß du schon bist. Du lässt mein Herz lachen. Du bist alles für mich.

Nichts in meinem Leben macht mich stolzer, als einfach nur deine Mutter sein zu dürfen. Ich liebe dich.

Freitag, 13. Januar 2017

Sind. Wieder. Da.

Endlich. Naja, so lange war es nun ja auch nicht. Aber der letzte Beitrag hier ist aus November und deswegen melde ich mich jetzt nur mal ganz kurz (hah. Als könnte ich kurz).

Mein erstes Weihnachten mit Kind war einfach so besonders. So bezaubernd. So voller Liebe und wundervoller Momente. Aber auch anders als ich es mir vorgestellt habe.

Und auch der Jahresübergang war etwas besonderes. Letztes Jahr saß ich mit einem dicken Bauch und niedlichen Tritten darin in unserem Wohnzimmer und schaute mir das Feuerwerk vor unserem Fenster an. Voller Wünsche und Hoffnungen und Vorstellungen. 2016 hat sich jedoch übertroffen. Es war das wundervollste Jahr meines Lebens. Meinem Sohn, meinem kleinen Bär, dabei zu zusehen, wie er diese Welt kennen lernt, wie er alles Neue wahrnimmt, immer mehr kann und mir zeigt, dass die Kleinigkeiten unseres Alltags wunderschön und großartig sein können, auch wenn man sie so leicht übersieht.
Doch es war auch das bisher "schnellste" Jahr meines Lebens. In kurzen Momenten schien die Zeit still zu stehen. Eingebrannt. Für immer in mir. Der Moment der Geburt, das erste Stillen. Das erste Lächeln. Das Jahr hatte vieler solcher Momente. Doch dazwischen ist die Zeit gerast. Man sucht den Pauseknopf. Doch den gibt es leider nicht.

Nun beginnt ein neues Jahr. Und ich freue mich schon jetzt auf jede einzelne Sekunde und hoffe, dass ich im Alltagsstress nicht vergesse, die kleinen, besonderen Momente zu genießen.